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Carl Alexander Simon und Frankfurt (Oder)

GEORG NAGLER nennt unseren Carl Alexander Simon im Band 18 seines noch zu Lebzeiten Simons erschienenen NEUEN ALLGEMEINEN KÜNSTLER-LEXIKON als einen „Maler von Stuttgart“. Vielen erschien er als Schwabe. Dass der in Stuttgart, ebenso in Weimar und auch in Chile bekannte, vielfältig begabte Künstler in Frankfurt an der Oder geboren wurde und die Stadt ihm am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn zur Seite stand, war weitgehend unbekannt.
Am 18. November 1805, abends halb Sieben, wurde Carl Wilhelm Alexander Simon – so sein vollständiger Name - im Haus Nr. 421 – dem Mittelhaus der sog. Sieben Raben westlich des Rathauses – geboren. Sein Vater war Johann Gottfried Simon, seit 1801 einer der sechs oder sieben hier arbeitenden Chirurgen. Seine Mutter war Louise Fridericke geborene Krausnick, die Tochter eines hiesigen Schneidermeisters.

Der Vater - er war nicht sehr reich begütert, der Großvater war Gastwirt in der Gubener Vorstadt und das Amt eines Stadt-Chirurgus brachte kein übermäßiges Honorar ein - hatte sich in der Stadt einen guten Ruf erworben. Besonders für die, von ihm seit 1801 in seinem Hause durchgeführten, kostenlosen Schutzpocken-Impfungen sollte er später von der Kurmärkischen Regierung mit der Impfungs-Prämien-Medaille ausgezeichnet werden. Ebenso äußerte sich der Magistrat immer wieder lobend über das gemeinnützige Wirken ihres Chirurgen. Von Prof. Spieker, Oberpfarrer und Herausgeber des „Frankfurter patriotischen Wochenblattes“ wissen wir, dass der Vater „seine Wohnung mit manchen guten Gemälde geschmückt hatte“.

Am 4. Dezember 1805 wurde Carl Alexander in der Marienkirche getauft, unter den fünf Taufpaten war die Tochter des Frankfurter Oberbürgermeisters Trummer und der verwandte Chirurg Schneider.

Mit seinem 2 Jahre älteren Bruder Johann Paul Friedrich und dem jüngeren, 1807 geborenen Johann Franz Ottomar wuchs unser Carl Alexander in der Oderstadt auf. Frühe Zeichenübungen, ein Selbstporträt, auf dem er sich auf der Gitarre spielend selbst darstellte und Skizzen von Gesang- und Klavierstunden geben einen kleinen Einblick in sein kunstliebendes Elternhaus und die vielfältigen Begabungen des jungen Carl Alexander.

Im Dezember 1819 schickte ihn der Vater auf das Friedrichs-Gymnasium, das sich damals im Haus Große Oderstraße 1 befand. Der hier unterrichtende Leopold Ranke, der spätere bedeutende Historiker, weckte – wie anzunehmen ist – sein Interesse für die Geschichte und Dichtkunst.

Als der junge Simon in das Gymnasium eintrat, spielte der Zeichenunterricht an der Schule nur eine untergeordnete Rolle. Es hieß, dass dieser „fast gar nicht mit dem Gymnasium verbunden ist, da nur 9 Schüler denselben“ besuchten. Zu dieser Zeit, also noch während der Unterrichtszeit von Friedrich August Hänel, seit 1781 Zeichenlehrer der Schule, verfügte das Konsistorium die gänzliche Verbesserung des Zeichenunterrichts. Es sollte ein Lehrer neu angestellt werden, der wöchentlich 6 Zeichenstunden geben sollte. Die Hoffnung, einen - wie es hieß - „für diese Kunst begeisterten, sehr tüchtigen Mann ... zu gewinnen“, erfüllte sich. Ab Michaelis 1820 lehrte Friedrich Samuel Ludwig Geisler (1789?-1826) an der Schule. Geisler, der sich als Porträtist einen Namen gemacht und der über die Bedeutung der bildenden Künste für die deutsche Volksbildung publiziert hatte, war zugleich der Zeichenlehrer der 1. Töchterschule. Dank ihm sollte es bald über das Frankfurter Gymnasium anerkennend heißen, dass dort der Zeichenunterricht weiter getrieben wird, als es auf den meisten Gymnasien der Fall ist. Für unseren Carl Alexander war dies sicher ein Glücksumstand. Geisler vermittelte ihm die künstlerischen Grundfertigkeiten und war er es wahrscheinlich auch, der sein Interesse auf den weiteren Weg in diese Richtung lenkte.

Für die Vervollkommnung seiner Fertigkeiten erhielt Carl Alexander Simon die Unterstützung der Stadt. Eine städtisches Stipendium sollte ihm ab April 1823 ein Studium an der Königlich Akademie der Künste in Berlin und anschließend in München ermöglichen.

Dem Studium folgte eine erste Studienreise nach Tirol. 1826 oder 27 kehrte der junge Künstler nach Frankfurt zurück und dankte dem Magistrat mit den Gemälden „Die Madonna mit dem Kinde“ und „Christuskopf“ für die gewährte Unterstützung.

Vor seiner erneuten Abreise - die Reise sollte ihn über München nach Rom führen - verabschiedete sich Simon am 6. Oktober 1827 mit einer Anzeige im „Frankfurter patriotischen Wochenblatt“. Mit sehr höflichen Worte dankte er noch einmal den „hochverehrten Räthen und Vorstehern meiner lieben Vaterstadt, den sehr achtbaren Herren Lehrern, denen ich meine Bildung verdanke, und geehrten Einwohnern hie(r)selbst, die mich mit Ihrem gütigen Wohlwollen beehrt und erfreut haben“.

Seine Abreise Ende 1827 stand vielleicht schon im Zusammenhang mit seiner, vom Vater nicht gebilligten, Liebesbeziehung zu Charlotte, der Tochter des Kunersdorfer Pfarrers Johann Christof Kindermann. Nach der Rückkehr von seiner ersten Italienreise heiratete Simon im nahe gelegenen Kunersdorf am 25. September 1832 Charlotte Kindermann.

Bald darauf ließ sich die junge Familie in Berlin nieder, wo im März 1833 ihr erster Sohn Carl geboren wurde.
Doch ihr Aufenthalt in Berlin währte nicht lange. Ein Monat nach der Geburt seines ersten Sohnes verstarb Simons Vater in Frankfurt. Um 1835 – nach einer Auseinandersetzung mit Willibald Alexis in Berlin – wandte sich Carl Alexander Simon mit seiner Familie nach Weimar.

Wahrscheinlich erlosch damit die Verbindung zu Frankfurt an der Oder. Simon geriet hier langsam in Vergessenheit.

Erst 1938, als die Stadt 58 Zeichnungen Simons über den damaligen Studienassessor Erich Köhler-Dores aus Uhlstädt in Thüringen ankaufte, erinnerte man sich in Frankfurt wieder an ihn.
Dabei erinnerte man sich auch an seinen beiden Bilder von 1827 und entdeckte Simons „Madonna“ - stark nachgedunkelt - im Standesamt, wo es seit 1913 hing. Das Bild wurde schnell zu einem beliebten Anschauungsobjekt im Rathaus. 1939 entdeckte man im Rathaus ein weiteres Frühwerk Simons, eine 1822 gefertigte Zeichnung einer Frauengruppe, Kopie eines Gemäldes des Barockmalers Pompeo Batoni, mit der sich Simon vielleicht beim Magistrat für das dann gegebene Stipendium empfehlen wollte.
Durch das öffentliche Interesse konnte der hier vorhandene Bestand von Simon-Arbeiten erweitert werden – 1939 vermachte der stellvertretende Sparkassendirektor Gerhard Richter der Stadt das Bild „Traum des Malers“. 1943 konnte Simons Skizzenbüchlein von der zweiten Italienreise erworben werden.

Zu dieser Zeit war Krieg, der bald ins eigene Land zurückkommen sollte. 1945, am Ende des Krieges, lag die Innenstadt in Trümmern. Bis auf die heute hier zu sehenden Zeichnungen gingen die anderen Werke Simons in Frankfurt verloren. Wieder verblasste die Erinnerung.

Im Vorfeld des 200. Geburtstages von Carl Alexander Simon, für den das Stadtarchiv die Ausstellung der überlieferten Zeichnungen plante, kam der Kontakt zur Wartburg-Stiftung Eisenach zu Stande. Dort wurde ebenfalls eine Ausstellung geplant und so gingen einige Zeichnungen erst einmal nach Eisenach. Für die gemeinsam mit der Wartburg-Stiftung Eisenach veranstaltete Frankfurter Ausstellung kamen im Gegenzug mehrere Stücke – darunter das kostbare Gemälde zum Sängerkrieg auf der Wartburg – aus Eisenach hierher.

Dadurch können wir heute Carl Alexander Simon, der kein Schwabe, sondern ein Brandenburger ist, als einen bedeutenden Sohn der Stadt Frankfurt (Oder), umfassender als bisher erfassen.

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