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Vom »Eisernen Kreuz« von Rosengarten

Mitte Juli 1914 begann mit der Ausrufung des Kriegszustandes auch für die mehr als 140 Bewohner der im Kreis Lebus gelegenen Gemeinde und des Gutes Rosengarten der erste Weltkrieg. Der Krieg veränderte das Leben in Rosengarten. Bald traf die erste Todesnachricht ein – am 26. Oktober 1914 war der 28jährige Wilhelm Thur gefallen. Zuerst trafen die Todesnachrichten beim Gutsbezirk ein, dann im dritten Kriegsjahr, auch bei der Gemeinde. Mit dem am 17. August 1916 gestorbenen Paul Höhne war wahrscheinlich der erste Bewohner des Gemeindebezirkes gefallen. Am Ende des Krieges hatten 17 Einwohner von Gut und Gemeinde ihr Leben im Krieg gelassen. Im Gemeindebezirk hatte jede dritte Familie ein Opfer zu beklagen, der jüngste von ihnen, Alfred, der Sohn des Kossäten und Gastwirtes Ernst Buchholz, Dorfstr.2, fiel zwei Monate nach seinem 18. Geburtstag. Zum Leid darüber kam noch die Not. Lebensmittel wurden rationiert. Notbestimmungen regelten das tägliche Leben.

Wie überall in den Städten und Landgemeinden wurde in jener Zeit auch in Rosengarten aufgerufen, besonders zur Linderung der Not der Hinterbliebenen von Kriegsopfern und Kriegsbeschädigten zu spenden. Es wurden Holzdenkmäler aufgestellt, in denen die Spender für die Entrichtung einer Geldspende für die Kriegsfürsorge eiserne Nägel erhielten, die sie in die Holzskulptur einschlugen.

Die Rosengartner aus der Gemeinde wie auch vom Gut schlossen sich dem Aufruf an. Sie spendeten, ungeachtet der eigenen Situation, ebenso wie auch im benachbarten Frankfurt. Während in Frankfurt vor dem Südgiebel des Rathauses eine aus Lindenholz gefertigte 3 m große Nachbildung eines Ritters aufgestellt wurde, der durch die eisernen, bronzenen und zum Teil auch Goldnägel nach und nach einen metallenen Schuppenpanzer erhielt und bald der „Eiserne Wehrmann“ genannt wurde, wählten die Rosengartner für ihre Spenden das Motiv eines Kreuzes auf einem 100 cm x 80 cm großen Schild. Das hölzerne Kreuz sollte – nachdem die Spenden erfolgt und die Nägel eingeschlagen – zum Eisernen Kreuz werden. Das Kreuz erinnerte an die Opferwilligkeit, mit der ein Jahrhundert zuvor die Einwohner zur Ausrüstung der Landwehr und zum Kampf gegen die Napoleonische Fremdherrschaft spendeten. Es wurde in gleicher Form wie die 1813 von König Friedrich Wilhelm III. gestiftete, 1870 und dann 1914 erneuerte, Auszeichnung, gestaltet, d. h. ein in Silber (unterlegte Silberfarbe) eingefasstes geschweiftes Kreuz, darin die Krone und der Buchstabe W (für Wilhelm II.) sowie die Jahreszahl 1914. Am unteren Schildrand wurde ein kleines Metallschildchen angebracht mit der Inschrift “Für die Nationalgabe zu Gunsten der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen 1914-1916“.

Anzunehmen ist, dass zwei Schilde gefertigt wurden, vielleicht eines für den Gemeindebezirk und das andere für das Gut. Unter der Verantwortung des aus Vertretern der Gemeinde und des Gutes bestehenden Rosengartner Gesamtschulverbandes wurde wahrscheinlich die Spendenaktion Lehrer Lehmann übertragen.

Emil Lehmann bewahrte die Tafeln in der wenige Jahre zuvor neu errichteten Schule auf. Die erste Nagelung erfolgte vielleicht, wie anderswo auch, am 27. Januar 1916, zum Geburtstag des Kaisers.
Auch in Rosengarten hoffte man beim Beginn der Spendenaktion noch auf das baldige Ende des Krieges. Doch er schien nicht enden zu wollen. Erst 1918, mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs, endete er. Die Not war zu Kriegsende weit größer als man es sich 1916 vorstellen konnte. Die Spendenaktion ging weiter.

Die letzten Spendennägel wurden im März 1919 eingeschlagen. Durch die auf dem einen Nagelschild eingeschlagenen 1.942 Spendennägel war unter dem geschwungenen metallenen Schriftzug „Rosengarten“ das Holzkreuz zu einem eisernen Kreuz geworden. Nach der Beendigung der Nagelung beschlossen die Mitglieder des Gesamtschulverbandes dann auf ihrer Sitzung am 22. März 1919 die Spendensumme von insgesamt 57,01 Mark für die Kriegsbeschädigten zu übergeben. Die Mittel gingen an den Kriegshilfsausschuss. Während in Frankfurt der „Eiserne Ritter“ am 3. Oktober 1919 durch die Feuerwehr in das Rathaus gebracht wurde, wo er im Zimmer neben dem Nahrungsmittelamt aufgestellt wurde, blieben die Rosengartner Nagelbilder in der Schule. Dort hingen sie bis zum Jahr 1928, wo sie zuletzt die 50 Schüler (20 aus der Gemeinde, 28 vom Gut, 2 Fürsorge) an die Spendenbereitschaft ihrer Eltern während der Notjahre erinnerten. Die Nagelschilder waren jedoch zugleich ein Symbol für das untergegangene Kaiserreich und erinnerten an einen von ihm ausgehenden Weltkrieg. Deshalb ordnete der Schulrat Frankfurt–Oder/ Land am 25. Juni 1928 an, dass die beiden Nagelschilder – zusammen mit einem Bismarckbild – aus der Schule zu entfernen waren. Mindestens eines der Bilder wurde anschließend in der Kirche aufbewahrt und so bis in unsere Gegenwart überliefert. Seit der 500. Jahrfeier Rosengartens im Jahre 1995 lagert es im Stadtarchiv in der Collegienstraße und ist Teil des historischen Bestandes der Gemeinde Rosengarten. Es wurde restauriert und wird dort, wegen seiner Bedeutung als einziges originales Zeugnis dieser Spendenaktion für die gesamte Stadt Frankfurt, wie auch als Teil der Schulgeschichte und letzter Beleg des inzwischen abgerissenen Rosengartner Schulgebäudes, ausgestellt.

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