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Archivgeschichte

Die Anfänge des Stadtarchivs reichen bis in das 13. Jahrhundert zurück, als der brandenburgische Markgraf Johann I. den Marktflecken an der Oder zur Stadt erhob. Im 14. Jahrhundert erwählten die Kurfürsten aus dem Haus Wittelsbach das rathäusliche Archiv zum Aufbewahrungsort wichtiger Urkunden der brandenburgischen Landesherrschaft. Als rathäusliche Organisationseinheit diente das Archiv in erster Linie der städtischen Regierung und Verwaltung. Neben der Ratsstube befanden sich "elf verschließbare Spinde, `darin nach dem ABC die Akten verwahret`" waren. Die Urkunden lagerten in einem verschlossenen eisernen Privilegienkasten. Mit der Einführung des "Rathäuslichen Reglements" im Jahr 1719, wurde sprachlich erstmals zwischen kurrentem Schrift- und älterem Archivgut unterschieden. War bislang die "Registratur bey dem Rathause" Sache des Secretarius, wurde nun zusätzlich ein Registrator eingestellt, der dafür zuständig war, dass die "Alten als Neuen Sachen" nicht in "Confusion und Unordnung" gerieten. Bemühungen um eine Erschließung hat es stets gegeben. Das älteste heute vorhandene Archivalienverzeichnis stammt aus dem Jahr 1546. Der brandenburgische Kurfürst und preußische Herzog Friedrich Wilhelm ordnete 1653 an, "alle Registraturen, Bücher und Documenta [...] mit Fleiß [...] verzeichnen zu lassen". Als erster externer Nutzer gilt der Frankfurter Universitätsprofessor Johann Christoph Beckmann (1641-1717), der die städtischen Archivalien in seiner Tätigkeit als Stadt- und Landeshistoriker auswertete.

Eine Professionalisierung des städtischen Archivwesens setzte erst im 19. Jahrhundert ein. Justizkommissarius Heinrich Karl Ludwig Bardeleben (1775-1852) fand das Archivgut im Jahr 1822 auf dem Dachboden des Rathauses "als einen Haufen mit Schmutz vermischter Bücher, Papiere, Blätter" vor. Eine fachgerechte Erschließung und Magazinierung erfolgte Ende der 1880er Jahre, nachdem Oberbürgermeister Hermann Friedrich Wilhelm von Kemnitz dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin das städtische Archivgut zur Übergabe anbot. Generaldirektor der preußischen Archivverwaltung Heinrich Karl Ludolf von Sybel berief in Abstimmung mit der Frankfurter Regierung eine Archivkommission ein, die das städtische Archivwesen untersuchte. Zwar schlug auch der Abschlussbericht der Kommission die Übergabe als Depositum vor, aber sowohl die Stadtverordneten als auch die Mitglieder des Historisch-Statistischen Vereins sprachen sich für den Verbleib der historisch und kulturell wertvollen Archivalien in Frankfurt aus. In der Folge verpflichtete die preußische Archivverwaltung die Stadt, für geeignete Räume und ausgebildetes Personal zu sorgen. Für die Erschließungsarbeiten war Dr. Robert Arnold vom Geheimen Staatsarchiv mehrmals für mehrere Monate nach Frankfurt abgeordnet worden. Arnold erarbeitete eine erste Archivordnung, begleitete den Umzug des Archivgutes aus dem Rathaus in die Sakristei der Franziskanerklosterkirche und öffnete das Archiv für externe Nutzungen. Zudem leitete er Mitarbeiter der Stadtverwaltung in der Aussonderung und Archivierung nicht mehr benötigter Unterlagen an. Erster von der Stadt besoldeter Archivar wurde der Gymnasialprofessor der Alten Städtischen Oberschule Dr. Adolf Gurnik. Unter seinen Nachfolgern Gymnasialprofessor Dr. Reinhold Kubo (Stadtarchivar 1903-1925) und Dr. Bruno Binder (Stadtarchivar 1925-1945) zog das Stadtarchiv zunächst in das Rektoratsgebäude der alten Frankfurter Universität und schließlich in den ausgebauten Turmstumpf der Marienkirche um.

Die Zerstörung der Frankfurter Innenstadt im 2. Weltkrieg bedeutete einen großen Einschnitt in der Geschichte des Stadtarchivs. Ein Großteil der Bestände konnte 1944 ausgelagert werden, ohne dies jedoch zu dokumentieren. Stadtarchivar Dr. Bruno Binder verstarb im Mai 1945 ohne aussagekräftige Aufzeichnungen zu hinterlassen. Weitere Teile wurden im Panzerschrank des Rathauses untergebracht, andere verblieben in den Magazinräumen der Marienkirche. Nach Kriegsende war der Panzerschrank im zerstörten Rathaus aufgebrochen, einige Urkunden und Amtsbücher fanden sich anschließend in Privatbesitz wieder. Unter dem Bauschutt der abgebrannten und eingestürzten Marienkirche überstanden schwerbeschädigt einige Bestände. Bibliothekarin Elfriede Schirrmacher (1894-1978) leitete ab 1946 die Bergungsarbeiten und wurde nach einer archivischen Fortbildung im Geheimen Staatsarchiv zur Direktorin ernannt. Sie begann in einem Schulhaus in der Halben Stadt mit dem Wiederaufbau des Stadtarchivs. Weil sämtliche Findhilfsmittel fehlten, musste sie das Archiv- und Bibliotheksgut erneut erschließen. Im Jahr 1952 leitete sie den Umzug in die Stadtbücherei und integrierte das im Jahr 1962 aus Polen zurückgekehrte geflüchtete Archivgut im Umfang von 62 Regalmetern. Nach ihrer Verabschiedung im Jahr 1976 übernahm der an der Humboldt-Universität zu Berlin ausgebildete Dipl.-Archivar Ralf-Rüdiger Targiel die Leitung. Er organisierte den Umzug in das für archivische Zwecke restaurierte barocke Doppelpfarrhaus am Untermarkt und erweiterte das Angebot der kulturellen Bildungsarbeit durch Ausstellungen, Führungen und Vorträge. Unter den Veranstaltungen sticht die Ausstellung zum 500. Geburtstag von Ulrich von Hutten hervor, die über die Grenzen der DDR hinaus große Resonanz fand.

Seit 1989 hat sich der archivische Aufgabenbereich vor allem durch die Dokumentation der gesellschaftlichen Umbrüche deutlich erweitert. Die Tätigkeit der politischen Gruppierungen und Akteure während der Wendezeit galt es für die Nachwelt zu überliefern und anschließend die massenhaften Unterlagen abgewickelter städtischer Dienststellen und geschlossener Registraturen zu bewerten, zu archivieren und für zukünftige Forschungsvorhaben zu erschließen und nutzbar zu machen. Der Stadtumbau wird seitdem fotografisch dokumentiert. Die Übernahmen und Sammlungen haben die Archivbestände deutlich vermehrt. Das umgewidmete Doppelpfarrhaus bot kaum noch Platz und erwies sich für die Vermittlung des schriftlichen und audiovisuellen Kulturerbes Frankfurts zunehmend als ungeeignet. Mit Bund-Länder-Mitteln für Stadterneuerung konnte die seit 1999 leer stehende denkmalgeschützte Bürgerschule am Lennépark als Archivgebäude umgebaut werden. Noch vor der Fertigstellung übergab Stadtarchivar Ralf-Rüdiger Targiel nach 43 Jahren die Leitung im Februar 2019 an Dr. Denny Becker. Nach seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Archivar im Geheimen Staatsarchiv, möchte er das Stadtarchiv ins digitale Zeitalter führen. Der Nutzungskomfort in den Lesesälen-, den Seminar- und Ausstellungsräumen soll den Ansprüchen der Informations- und Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts genügen und das Stadtarchiv für die internationale Städteforschung geöffnet werden.

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